Was Unfreiheit uns über Freiheit lehren kann

Auf der Suche nach einem Begriff der Freiheit stoßen wir auf Erfahrungen von Unfreiheit, die wir nicht einfach auf den Begriff bringen können. Diese Erfahrungen sind nicht notwendig eindeutig. Sie können es zwar sein, etwa wenn wir an eine Mauer stoßen, oder wenn uns verboten wird, das Haus zu verlassen. Sie müssen aber nicht sein: Auch ein zögerndes Unbehagen, sich zu äußern, ein Gefühl der Bedrängnis durch den Blick eines anderen, die Feststellung, etwas nicht tun zu können, was man tun will, sind Erfahrungen der Unfreiheit. Zu einem politischen Freiheitsverständnis - im Gegensatz zu einem moralischen - gehört es dabei, dass auch gut gerechtfertigte Einschränkungen als Freiheitsverluste formuliert werden können. Zu einem politischen Freiheitsverständnis - im Gegensatz zu einem privatistischen - gehört es aber auch, dass nicht jede Empfindung beschränkter Freiheit für andere relevant werden muss. Immer bleibt es aber dabei, dass der an einen Körper gebundene Eindruck von Unfreiheit am Anfang jeder tieferen theoretischen Beschäftigung mit Freiheit steht.

Christoph Möllers, geb. 1969, studierte Rechtswissenschaf­ten, Philosophie und Komparatistik in Tübingen, Madrid München und Chicago. 2004/2005 Professor für Öffentliches in Münster, von 2005 bis 2009 Inhaber des Lehrstuhls für Öffentli­ches Recht an der Universität Göttingen, seither des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Humboldt-Universität. Von 2011 bis 2014 war er Richter im Nebenamt am Oberverwal­tungsgericht Berlin-Brandenburg. Seit April 2012 ist er Permanent Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin. Gastprofessuren an den Universitäten Paris I und II, Princeton University, der Central European University und der LSE. Als Prozessvertreter vor dem Bundesverfassungsgericht hat er auch Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung vertreten. Möllers ist Träger des Leibniz-Preises der Deutschen Forschungsgemeinschaft 2016, des Schader-Preises 2018 und des Tractatus-Preises des Philosophicum Lech 2021. Zu seinen Büchern gehört: Staat als Argument, 2000; Die Drei Gewalten, 2008; Die Möglichkeit der Normen, 2015; Freiheitsgrade 2020.

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